Ein schrecklicher Fluch lastet auf König Laïos von Theben. Das Orakel von Delphi hat ihm prophezeit, dass er von seinem Erstgeborenen erschlagen werde und dieser seine eigene Mutter Jocaste heiraten wird. Aus Furcht vor der Weissagung befiehlt Laïos einem Hirten, seinen Sohn Œdipe direkt nach der Geburt zu töten. Doch das Schicksal will es anders…
Bei den Bühnenbildern der Bregenzer Seebühne gibt es immer jede Menge zu bestaunen und zu entdecken, sei es der Clownskopf aus Rigoletto oder das verschneite Dorf aus der aktuellen Freischütz-Inszenierung. Doch dieses Mal stehen die Techniker vor einer besonderen Herausforderung, erzählt Stefan Frischke, der seit über zwölf Jahren Steuerungstechniker bei den Bregenzer Festspielen ist.
Wusstest du, dass die aktuelle Bregenzer Seebühne gar keine Bühne ist, sondern als Schwimmbecken zählt?
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Kurze Zusammenfassung:
- Steuerungstechniker Stefan Frischke sorgt dafür, dass sich alles wie geplant bewegt – vom Pferdewagen bis zur Riesenschlange.
- Das Bühnenbild von Der Freischütz birgt technische Raffinessen, darunter eine versteckte Schlange mit Feuerstoß.
- Die präzise gefertigte Schlange besteht aus empfindlichem Material – ihre Pflege erfordert Fingerspitzengefühl und Checklisten.
- Die aktuelle Bregenzer Seebühne gilt offiziell als Schwimmbecken – mit allen Herausforderungen der Bäderverordnung.
- Nach der Saison wird sie verschrottet, doch Stefan tüftelt bereits am nächsten Bühnenhighlight für magische Festspielmomente.

„Zu meinen Aufgaben als Steuerungstechniker gehört alles, was sich auf der Bühne bewegt. Das heißt konkret: Alles, was mit Strom, Hydraulik oder Druckluft zu tun hat. Ausgenommen davon sind Dinge, die von Hand betätigt werden, wie beispielsweise eine Handkurbel.“
Wie entstand das Bühnenbild?
Als mit der Planung der Kulisse begonnen wurde, mussten sich der Bühnenbildner Philipp Stölzl und seine Mitarbeiterin Franziska Harm mit einer Baustelle arrangieren. „Wir haben die komplette Infrastruktur hinter der Bühne abgerissen und erneuert, dementsprechend musste die Baustelle entweder versteckt oder in die Kulisse integriert werden“, erinnert sich Stefan. In der Regel wird er als Steuerungstechniker bereits in der Planungsphase miteinbezogen. „Ich bin ab der ersten Idee der Bühnenbildner(innen) dabei und werde gleich eingebunden. Denn ich muss unter anderem prüfen, was technisch möglich ist und ausrechnen, wie hoch die Kosten dafür sind.“ Um nachzuvollziehen, woher die Bühnenbildner(innen) ihre Ideen haben, und zu Recherchezwecken schaut er nicht selten verschiedene Filme an. Dies dient zur Inspiration und hilft bei der technischen Umsetzung, erzählt er.
„Mein Meisterwerk war die Rigoletto-Bühne. Mit 29 Bewegungen stellten wir den aktuellen Rekord auf der Seebühne auf, denn so viele gab es noch nie. Und sie wird vermutlich noch lange der Spitzenreiter bleiben.“

Planen, absprechen, einkaufen, Kosten kalkulieren, kontrollieren – all das gehört im Vorfeld für Stefan dazu, wenn es um die Vorbereitung eines neuen Bühnenbildes geht. „Jedes Bühnenbild ist einzigartig, denn wir entwickeln jedes Mal neue Maschinen“, erklärt er. Von der Idee bis zur Premiere in der neuen Kulisse dauert es knapp drei Jahre. Und da Stefan überall dabei ist, hat er auch sechs Paar Schuhe an seinem Arbeitsplatz, denn je nach Aufgabengebiet, benötigt er ein anderes Paar.

Jeden Frühling ist Stefan mit seinen Kolleg(inn)en auf der Seebühne und testet täglich die Bewegungen. „Wir testen und testen und testen und alles funktioniert wunderbar. Doch oft ist es so, dass wenn die Schauspieler(innen) zu den Proben kommen, etwas plötzlich nicht mehr funktioniert“, erzählt er lachend und führt fort: „Und dann müssen wir wieder ran und schauen, wo das Problem liegt.“
Bei der aktuellen Szenerie gibt es jedoch eine ganz andere Herausforderung, der sich Stefan und seine Kolleg(inn)en stellen müssen:
„Die größte Herausforderung beim Bühnenbild ist sicher, dass es unter die Bäderverordnung fällt. Dementsprechend müssen viele Vorschriften und Normen beachtet und eingehalten werden. Diese werden regelmäßig von der BH Bregenz, mit der wir gut zusammenarbeiten, kontrolliert.“
Wenn ein Bühnenbild zum Schwimmbecken wird
Wenn sich das Bühnenbild plötzlich als Schwimmbecken entpuppt, ist Improvisation gefragt – und technisches Know-how. Von der Wasserqualität über die Anordnung der mit Strom betriebenen Elemente wie Lampen oder Lautsprecher, es gibt vieles zu beachten und einzuhalten. Denn wenn die Darsteller(innen) durchs Wasser waten oder darin eintauchen, muss alles passen. Davon betroffen sind auch die beweglichen Elemente wie der Pferdewagen oder die riesige Schlange, die bei vielen Besucher(innen) für Gänsehaut sorgt. Mit einer Gesamtoberfläche von 36 Quadratmetern sowie einer Höhe von fast vier Metern ist sie ein wahres Meisterwerk der Theaterplastik.
Die Geschichte der verborgenen Schlange
Sicherlich ist das aktuelle Bühnenbild der größten Seebühne der Welt bekannt – ein verschneites Dorf, in dem es viel zu entdecken gibt, von den Häusern und dem Uhrturm über den Vollmond bis hin zum Pferdeskelett mit Wagen. Doch eine Schlange? Diese ist auf den ersten Blick nicht zu finden. Sie lauert in ihrem Versteck hinter einem großen Stein und zwischen Ästen. Doch es war ein langer Weg, bis sie dahin kam:
„Als Grundgerüst für die Schlange habe ich mit einer Stahlbaufirma ein Gerüst konstruiert und ein Tierplastiker aus Potsdam hat jede einzelne Schuppe von Hand gefertigt. Zwei Wochen lang dauerte allein das Anbringen der Schuppen. Das Material sieht zwar massiv aus, ist aber hauchdünn und empfindlich wie eine Coladose.“

Aufgrund ihrer Empfindlichkeit musste die fertige Schlange aufrecht auf die Bühne transportiert werden, was eine heikle Angelegenheit war. Glücklicherweise waren gerade Bauarbeiten rund um die Seebühne und so unterstützte Baggerfahrer Didi das Team der Bregenzer Festspiele. Gemeinsam verfrachteten sie die Schlange unbeschadet in ihr Versteck. Dort verbrachte sie auch ihren Winterschlaf, den sie gut überstanden hat. „Für den Winter haben wir eine Checkliste der Hersteller, was wie oft bewegt oder geölt werden muss. Alles hat gut funktioniert, nur einmal war es so kalt, dass die Schlange ihr Maul nicht aufmachen konnte“, beschreibt Stefan die Vorgehensweise in der Winterpause. Mittlerweile ist die Schlange, wie auch die gesamte Seebühne, wieder zum Leben erwacht.
Das Schicksal der Schlange
Seit dem 17. Juli sorgt die Schlange beim Publikum wieder für Gänsehaut, wenn sie sich aus ihrem Versteck emporhebt. Ihren großen Auftritt hat sie, wenn sie in der Wolfsschlucht mit einem furchterregenden Feuerstoß den Feuerkreis entzündet – das pyrotechnische Material dafür ist unsichtbar und sicher verborgen, denn Sicherheit geht vor. Daher wurde auf ihrem Kopf auch ein „Ast“ angebracht, an dem sich Samiel oder der Eremit anlehnen bzw. sichern können.
Bereits als HTL-Schüler wurde Stefan vom Theaterfieber gepackt und dieses ließ ihn nicht mehr los:
„Meine Schwestern sangen im Bregenzer Festspielchor mit und meinten, dass ich mit 18 auch dort arbeiten könne. Und so kam es, dass ich dann fünf Sommer lang neben meinem Studium hier arbeitete und dann als Beleuchtungshelfer anfing. Nach 16 Jahren in Deutschland an einem Theater in Dresden, bin ich seit 2013 wieder da.“

Gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern kehrte er nach seinem Deutschlandaufenthalt nach Vorarlberg zurück und fand den Weg zu seinem alten neuen Arbeitgeber. Hier im Ländle können sie auch ihrem gemeinsamen Hobby – dem Eisbaden – nachgehen. Bei jedem Wetter und noch so kalten Temperaturen findet man Stefan beim Eisbaden. Er ist nicht nur ein cooler Typ, sondern auch handwerklich geschickt, lösungsorientiert und mit viel Herzblut dabei. Denn wenn etwas während einer Aufführung nicht mehr funktioniert, sind schnelles Handeln und Spontanität angesagt. „Wir alle tragen unseren Teil zu einer gelungenen Aufführung bei. Daher sind auch alle gefragt, wenn etwas nicht planmäßig läuft“, erklärt er. Sein Ziel ist, dass das Publikum nichts davon mitbekommt und den vollen Zauber der Inszenierung erleben kann. Genauso, wie er jedes Mal davon fasziniert ist.

Doch was passiert nun mit der Schlange nach dieser Festspielsaison? Sie hat ausgedient und wird wie eine simple Blechkarosserie verschrottet. So macht sie Platz für die nächsten beweglichen Elemente, an denen Stefan bereits am Tüfteln ist. Denn er ist gedanklich schon beim übernächsten Bühnenbild. Was es sein wird, das ist noch streng geheim. Sicher ist nur, dass es wieder ein Spektakel für ihn, für die Schauspieler(innen) und vor allem für die Zuschauer(innen) sein wird.
