Ein schrecklicher Fluch lastet auf König Laïos von Theben. Das Orakel von Delphi hat ihm prophezeit, dass er von seinem Erstgeborenen erschlagen werde und dieser seine eigene Mutter Jocaste heiraten wird. Aus Furcht vor der Weissagung befiehlt Laïos einem Hirten, seinen Sohn Œdipe direkt nach der Geburt zu töten. Doch das Schicksal will es anders…
„Man kann seinem Schicksal nicht entkommen. Es ist nur wichtig, wie man damit umgeht.“
Audio wurde mit KI generiert
Kurze Zusammenfassung:
- Ein junger Opernfan wird selbst Teil der Bühne: Sandro erlebt als Statist das Festspielhaus aus neuer Perspektive.
- Tischlermeister Jürgen Bahl erschafft ein spektakuläres Bühnenbild – riesig, beweglich und bis ins Detail durchdacht.
- Über 4.500 Stunden Arbeit stecken im Bühnenbild von Œdipe. Technik und Teamgeist lassen die Oper visuell glänzen.
- Proben mit vollem Einsatz, viel Geduld und echter Leidenschaft machen das Opernerlebnis erst möglich.
- Musik, Licht, Bewegung und Leidenschaft verschmelzen zur Magie – ein Opernerlebnis, das Gänsehaut erzeugt.
Erklärt Sandro Kemter seine Erkenntnis aus der Oper Œdipe, welche dieses Jahr im Festspielhaus aufgeführt wird. In diesem Stück steht Sandro zum ersten Mal als Statist auf der Bühne und freut sich schon sehr darauf: „Es macht mega viel Spaß mit den anderen auf der Bühne zu stehen und Teil des Ganzen zu sein. Ich liebe es, mich zu kostümieren und innerhalb von wenigen Minuten in eine andere Rolle zu schlüpfen.“
Nicht nur Sandro wechselt innerhalb weniger Minuten in ein anderes Kostüm, auch die Bühne des Festspielhauses verwandelt sich in nur drei Minuten, wie Jürgen Bahl erklärt: „Mit einem extra dafür konstruiertem Lufthebe- und Gleissystem können wir die großen Wände in kurzer Zeit auf - und auch wieder abbauen.“ So sorgt Jürgen mit seinem Know-how und dem Bühnenbild dafür, dass die Zuschauer(innen) sich noch besser in das Stück einfühlen können.
Ein spektakuläres Bühnenbild
„Das Faszinierende ist: Man beginnt mit einem Modell, zeichnet es am PC, konstruiert es und irgendwann steht es dann – in echt – auf der Bühne. Wenn alles passt, macht das richtig glücklich“, beschreibt Jürgen den Entstehungsprozess. Der Montafoner ist Tischlermeister und kam durch einen glücklichen Zufall vor ein paar Jahren zu den Bregenzer Festspielen. Seither hat ihn das Theaterfieber nicht mehr losgelassen. So kümmert er sich Jahr für Jahr um die Bühnenbilder, die jedes Mal etwas Besonderes sind. Dabei ist sein Können in der Realisierung gefragt. Doch dieses Jahr hat das Bühnenbild eine neue Dimension bekommen:
„Die Holzwände sind fast acht Meter hoch, 18 Meter lang und 1,2 Meter breit. Die größte Herausforderung war, dass die Wand, trotz ihrer gewaltigen Dimensionen, sicher steht und gefahrlos bewegt werden kann. Dafür haben wir mit Statikern zusammengearbeitet. Nun hält alles und wir können die Wände von der Seiten- auf die Hauptbühne transportieren. Ein weiteres Highlight kommt im dritten Akt. Ich möchte nicht zu viel verraten, nur so viel vorweg: Es wird spektakulär.“ Jürgen
Hier ein kleiner Vorgeschmack:
Über 4.500 Stunden Arbeitszeit stecken im Bühnenbild von Œdipe, das aus über 35 Elementen und 280 Quadratmeter Holzbrettern aus Vorarlberg zusammengebaut wurde. Spätestens bei der Generalprobe sieht Jürgen, wie das Bühnenbild in Action aussieht und wirkt. Darauf freut er sich schon besonders, wenn er seinen Job erledigt hat, er das Schauspiel genießen kann und die anderen am Zug sind.
Doch spätestens im Herbst ist der leidenschaftliche Modellbauer wieder gefragt, wenn das nächste Bühnenbild ansteht. Wenn der Sommer sich dem Ende neigt, beginnt Jürgen in Absprache mit den Bühnenbildner(inne)n mit der Planungsphase. Er zeichnet die Entwürfe allein am PC und sobald es ans Fertigen geht, greift ihm das Team unter die Arme.
„Die technische Einrichtung, also wenn alles zusammengebaut wird, ist die stressigste und spannendste Phase. Dann kann es schon mal ordentlich rundgehen, wenn zehn Personen gleichzeitig daran arbeiten, und es kommen viele Fragen auf mich zu. Doch wenn am Ende alles zusammenpasst, ist das die schönste Belohnung.“ Jürgen

Die Belohnung für einen gelungenen Auftritt ist für Sandro der Applaus des Publikums mit Standing Ovations. Zwar steht er bei Œdipe zum ersten Mal bei den Bregenzer Festspielen auf der Bühne, doch Bühnenerfahrung hat der 21-Jährige bereits. Ob er bei der Bürgermusik Hohenems mit seinem Waldhorn mitspielt oder in der Uni vor seinen Kommiliton(inn)en etwas aufführen muss – Sandro liebt die Musik und das Schauspielern. Darum möchte er auch genau das später machen und studiert aktuell in Wien Musikerziehung auf Lehramt mit Gesang im Hauptfach. Seine Leidenschaft zur Musik wurde ihm quasi in die Wiege gelegt, denn sein Vater war schon bei der Bürgermusik. „Beim Tag der offenen Tür hing ein Gartenschlauch zum Musik machen und ich dachte mir: Wow, genau das will ich lernen. So kam ich zum Waldhorn“, erinnert er sich schmunzelnd zurück. Nach zwölf Jahren Horn spielen ist er mittlerweile in Richtung Gesang abgeschweift und singt als Tenor sowohl beim Landesjugendchor Voices als auch beim Bregenzer Festspiel Chor mit.

Abwechslungsreich, spannend, aber auch etwas fordernd – so findet der Student das Leben als Statist. Den Probenplan gibt es schon im Vorhinein, doch die jeweiligen Zeiten erfährt er erst am Vortag. Zur vereinbarten Uhrzeit geht es dann für ihn mit dem Zug ins Festspielhaus zur Probe. Dort heißt es: genügend trinken, durchhalten und aufmerksam sein. Denn die Proben dauern meist zwischen drei und vier Stunden und verlangen Konzentration, Geduld und körperlichen Einsatz. Trotz der Anstrengung ist es für Sandro eine bereichernde Erfahrung, die er auf keinen Fall missen möchte: „Es macht unglaublich viel Spaß und ich freue mich, dabei zu sein.“
Wenn er nicht gerade auf der Bühne steht, ist er vor der Bühne im Publikum zu finden: „Ich bin mindestens einmal im Monat in der Oper, im Theater oder bei einem Musical.“ Seine Lieblingsoper? Die Zauberflöte. Natürlich hat er diese auch vor ein paar Jahren auf der Bregenzer Seebühne bestaunt, denn für ihn sind die Aufführungen auf dem Bodensee immer spektakulär, außergewöhnlich und gehören zum jährlichen Pflichtprogramm.
„Auch wenn man die Inszenierung schon kennt, man entdeckt bei jeder Aufführung wieder etwas Neues. Madame Butterfly habe ich zum Beispiel etwa 13-mal gesehen und bei jedem Mal etwas gesehen, was mir beim vorherigen Mal entgangen ist.“ Sandro

Nicht nur deshalb informiert sich Sandro vor jedem Opern-Besuch über das Stück: Worum geht es? Was sind die Hauptrollen? Was passiert ungefähr in welchem Akt? Das gehört für ihn einfach dazu, damit er, sobald die Sänger(innen) die Bühne betreten und die Arien auf Italienisch oder Französisch schmettern, sich voll und ganz der Oper widmen kann – und auch versteht, worum es geht.
Teamgeist auf und hinter der Bühne
Bevor Sandro vor so vielen Zuschauer(innen) die Bühne betritt, ist er natürlich etwas nervös. Aber auf eine gute Art. Die Nervosität verleiht ihm eine positive Energie. Eine Energie, die ihm Kraft gibt, ihn antreibt und ihn durch den Abend trägt. Ein kleinwenig sorgt für diese Energie auch der Traubenzucker, den er vor jedem Auftritt isst, während er sich gemeinsam mit den anderen auf das Stück fokussiert.

Ob zwischen Chor und Solist(inn)en oder zwischen Techniker und Bühnenbildner – die Chemie und Zusammenarbeit muss stimmen. „Nur wenn man sich gegenseitig vertraut und ergänzt, funktioniert so ein Projekt“, sagt Jürgen und Sandro stimmt zu: „Man muss miteinander harmonieren. Nur dann wirken Szenen wirklich authentisch.“
Was das Publikum am Ende auf der Bühne sieht, ist das Ergebnis vieler Stunden Arbeit – vor, hinter und auf der Bühne. Menschen wie Jürgen und Sandro zeigen, wie vielfältig und wichtig die Aufgaben rund um eine Opernproduktion sind. Der eine sorgt für die technischen Grundlagen, der andere bringt Leben auf die Bühne.

Wenn sich dann der Vorhang hebt, greifen alle Elemente ineinander: Musik, Bühnenbild, Licht und Bewegung. Und genau das macht eine Aufführung wie Œdipe im Festspielhaus so besonders – weil sie das Ergebnis guter Zusammenarbeit, genauer Vorbereitung und echter Begeisterung für das gemeinsame Projekt ist. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Nicht nur für König Œdipe, sondern auch für all jene, die diesen besonderen Opernabend möglich machen. Und für einen Moment wird er spürbar: der Zauber der Oper.